Ingenieurwesen im Aluminium-Bootsbau

Das Engineering einer Yacht bedeutet, hunderte von Entscheidungen zu treffen, dabei die Leistung, Ästhetik, Sicherheit, Produktionskosten und regulatorische Anforderungen in Einklang bringen müssen. Wird Aluminium als Baumaterial gewählt, verläuft dieser Entscheidungsprozess anders als bei GFK-Booten. Von der Strukturplanung bis zur Systemintegration müssen viele Details auf die Eigenschaften dieses Metalls abgestimmt werden.

Die Natur des Materials bietet klare Vorteile in Bezug auf Flexibilität, Festigkeit und Sicherheit. Sie bringt jedoch auch spezifische Herausforderungen mit sich – insbesondere im Umgang mit galvanischer Korrosion und bei der thermischen Isolierung.

Nachdem wir im ersten Artikel die Designaspekte von Aluminiumbooten betrachtet haben, widmen wir uns nun den ingenieurspezifischen Themen. Christoph Braun und Mattia Lugli, zwei unserer Schiffbauingenieure, führen uns durch die wichtigsten Überlegungen und Schritte beim Engineering eines Aluminiumboots.

 

Der Engineering-Prozess

Mattia Lugli erklärt:
„Bei iYacht bieten wir ein breites Leistungsspektrum – das ermöglicht uns, Kunden effizient durch den gesamten Prozess zu begleiten, bis hin zum Stapellauf und der CE-Zertifizierung. Das unterscheidet uns von vielen Design- und Engineeringbüros, die diese ganzheitliche Unterstützung nicht leisten können. Der Prozess beginnt immer mit der Analyse der Kundenanforderungen und mündet dann in die Entwurfsphase.

Bei Aluminium-Katamaranen starten wir nach Definition der Rumpf- und Außenlinien mit der strukturellen Planung, etwa der Positionierung von Schwertkästen. Nach der Lieferung der Schnittdaten arbeiten wir weiter an Systemen und Takelage. Dabei stehen wir ständig im Austausch mit Zulieferern, um alles abzustimmen.“

Derzeit entwickelt das Team ein maßgeschneidertes Rigg mit einem eigenen Mastprofil für einen Kunden – eine Geschichte, die wir in einem weiteren Artikel beleuchten werden. In den meisten Fällen wird jedoch ein Standardrigg vom Markt verwendet, und iYacht übernimmt die technische Koordination mit den Lieferanten, um den Ablauf für den Kunden zu vereinfachen.

Christoph Braun ergänzt:
„Beim Engineering von Aluminiumbooten berücksichtigen wir das Materialgewicht bereits früh – noch vor dem Verschachtelungs- oder Schneidplan. So können wir die Anzahl und Dicke der benötigten Platten abschätzen. Diese Daten erlauben dem Kunden eine erste Kostenkalkulation und Machbarkeitsbewertung.

Bei kommerziellen Projekten erfolgt diese Analyse sogar noch früher, während der Konzeptphase, um eine fundierte Investitionsentscheidung zu ermöglichen.“

 

Werkstoffwahl: Aluminiumlegierung der 5000er-Serie

Welcher Aluminiumtyp wird im Bootsbau verwendet?
Christoph Braun erklärt:
„Die am häufigsten eingesetzte Legierung im Yachtbau ist 5083 – sie eignet sich für die meisten Anwendungen. Bei höher belasteten Komponenten oder im Superyacht-Bereich greifen wir auf 5059 zurück, das eine höhere Festigkeit bietet – allerdings zu höheren Kosten.

Wir setzen 5059 nur dann ein, wenn es technisch gerechtfertigt ist – z. B. wenn bei Verwendung von 5083 die Bauteilstärke überdimensioniert werden müsste. Für Hochleistungsboote oder große Yachten, bei denen Gewicht entscheidend ist, nutzen wir 5059 für kritische Bauteile wie Flansche oder Spanten.

Die 6000er-Serie wird hingegen meist bei Pontons oder Hausbooten verwendet – in Yachten kommt sie kaum vor, mit Ausnahme einiger extrudierter Standardprofile.“

 

Welche Bauteile bestehen aus Aluminium?


Mattia Lugli ergänzt:
„In den letzten vier Aluminium-Katamaranen, die wir konstruiert haben, waren fast alle strukturellen Komponenten aus Aluminium – Rumpf, Schotten, Decksstrukturen, teilweise sogar Möbelunterkonstruktionen. Das ergibt eine leichte, stabile Struktur, die einfach inspiziert werden kann.“

Doch nicht alles sollte aus Aluminium sein. Mattia weiter:
„Bei einigen Projekten fertigen wir die Schwerter aus Verbundmaterial. Das hat weniger mit Gewicht zu tun, sondern mit Formbarkeit – Composite ermöglicht hydrodynamisch optimale Geometrien, was bei Aluminium durch Schweißgrenzen erschwert ist.“

 

Strukturengineering und Ermüdungsfestigkeit

Die Strukturplanung umfasst Rumpf und Innengerüst, um allen betrieblichen Belastungen standzuhalten. Die Wahl der Plattendicke und Verstärkungen ist entscheidend.
Mattia: „Die richtige Struktur ist essenziell – um Deformationen und damit Stabilitätsverluste zu verhindern.“

Aluminium bietet ein sehr gutes Verhältnis von Festigkeit zu Gewicht, ist aber empfindlicher gegenüber Ermüdung als Stahl. Wiederholte Vibrationen – z. B. durch den Außenbordmotor – können langfristig zu Rissbildungen führen.

„Besonders kritisch sind Mastfuß, Wanten und Stagen“, sagt Mattia. „Dort legen wir besonderen Wert auf Belastbarkeit.“

CE- und ISO-Normen liefern dafür Rechenformeln – doch oft arbeiten unsere Ingenieure vorsichtiger, um die Langzeitbeanspruchung besser abzusichern.

Christoph: „Die meisten Belastungen an Bord sind zyklisch. Selbst durch Wellen erzeugte Lasten wiederholen sich in einem schädlichen Muster. Unser Ziel ist es, alle kritischen Komponenten so auszulegen, dass sie diesen Belastungen über die gesamte Lebensdauer standhalten.“

Bestimmte Teile – z. B. Knickbleche – können jedoch nicht für unbegrenzte Lebensdauer ausgelegt werden. „Dort setzen wir auf regelmäßige Inspektionen und geplante Wartung“, so Christoph. Auch bei der Takelage, die typischerweise eine Lebensdauer von 7–10 Jahren hat, ist Inspektion vor Langfahrten Pflicht.

Galvanische Korrosion verhindern

 

Aluminium ist elektrochemisch sehr aktiv. In Kontakt mit edleren Metallen (z. B. Edelstahl oder Bronze) in Verbindung mit Salzwasser entsteht galvanische Korrosion.

Lugli: „Wir verwenden Opferanoden – meist 4–6 pro 50-Fuß-Boot – die zuerst korrodieren und so das Aluminium schützen. Sie müssen regelmäßig ersetzt werden.“
Zusätzlich wird elektrischer Kontakt zwischen unterschiedlichen Metallen durch Isolatoren verhindert. „So unterbrechen wir mögliche Strompfade zwischen Aluminium und edleren Metallen“, erklärt Lugli.

Auch Carbonfaser kann ein elektrisches Verbindungsglied sein und Korrosion fördern – das wird häufig unterschätzt.

 

Aluminium schweißen & zerstörungsfreie Prüfung

Aluminiumschweißen ist anspruchsvoll. Das Material bildet eine Oxidschicht mit höherem Schmelzpunkt als das Grundmaterial – was die Schweißung erschwert.

Christoph Braun:
„Schweißen muss in windgeschützten Bereichen erfolgen, um Verunreinigungen zu vermeiden. Bei geschlossenen Bauteilen wird Schutzgas auch innen eingebracht. Geometrie und Spaltmaße sind streng definiert.“

Zerstörungsfreie Prüfverfahren (NDT) sichern die Schweißqualität, z. B. Farbeindringprüfung oder Ultraschallprüfung – besonders wichtig in hochbelasteten Zonen wie Mastfuß, Knicklinien, Motorfundament oder Heck.

„Wir führen auch Druck- und Vakuumtests bei geschlossenen Kammern durch. „In kritischen Fällen sogar Röntgenprüfungen.“
Nur so lässt sich garantieren, dass die Struktur den Einsatzbedingungen standhält.

 

iYacht’s Expertise

All diese Engineering-Prinzipien – von der Korrosionsvermeidung bis zur Schweißprüfung – laufen in einem Punkt zusammen: der Praxis auf der Werft.

Mattia Lugli:
„Deshalb ist es essenziell, die Werft zu kennen. Wir besuchen unsere Partner vor Ort, prüfen Maschinen, sprechen mit dem Team und passen unser Engineering genau an.“

Ein Beispiel: Eine junge Werft in Asien mit viel Potenzial. „Die Mitarbeiter waren lernbereit, die Kostenstruktur ermöglichte schnelle Prototypen. Das ist extrem wertvoll“, sagt Mattia.

Viele asiatische Werften sind im Bau großer Metallschiffe erfahren – aber Yachtbau erfordert mehr Präzision, Gewichtskontrolle und Oberflächenqualität.

Christoph: „Die industrielle Basis ist stark – besonders im Bereich Schweißen und Struktur. Taiwan z. B. hat eine sehr gute Superyacht-Zulieferkette.“

Doch auch in Europa sind Werften sehr unterschiedlich – ein weiterer Grund, warum persönliche Besuche für jedes Projekt unverzichtbar sind.

iYacht sorgt dafür, dass Design und Produktion optimal ineinander greifen. „Je früher wir die Werft einbinden, desto besser für Umsetzbarkeit und Effizienz“, sagt Christoph.

Am Ende zählt beim Yachtbau – ob Aluminium oder GFK – vor allem die Ausführung. Sie hängt von den Fähigkeiten der Werft ab – und iYacht stellt sicher, dass alle Entwürfe darauf abgestimmt sind.